Der Schlossherr kehrt zurück

Sein Wappen hängt wieder im Schloss: Josef Freiherr von Hornstein. BILDER: MICHEL, MONTAGE : S K

Südkurier vom 26.2.08

Der blaue Skoda-Kombi des Freiherrn parkt zwischen den Transportern der Gerüstbauer und Gipser. Er ist mit einer feinen Staubschicht überzogen. Eine feine Staubschicht bedeckt auch die Schuhe des Schlossherrn. Denn Joseph Freiherr von Hornstein (51) macht genau das, was seine Vorfahren fast 200 Jahre lang im Hegau-Dorf Weiterdingen an ihrem Schloss gemacht haben: Bauen, Umbauen, Anbauen. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“, sagt der Freiherr und ermuntert die Handwerker in der Mundart des Hegau zur Vesperpause.

Da schwingt noch etwas von jener patriarchalischen Fürsorge mit, die die Herren von Hornstein einst ihren Untertanen angedeihen ließen, die am Fuß des Hohenstoffeln hinter Ochsen und Pflug hergingen. Heute leiht sich der adlige Nebenerwerbs- Landwirt das schwere Gerät beim Maschinenring. Bodenständig nennt man das – ein Wort, das für den Freiherrn einen guten Klang hat.

Bodenständigkeit bewies Josef von Hornstein auch im Sommer 2007. Da hat er von der Erzdiözese Freiburg seinen Weiterdinger Familiensitz, Baujahr 1682, zurückgekauft. Die Kirche gab das Bildunghaus nach 152 Jahren auf, und der Freiherr tat das, was er jetzt, in der Tiefe eines bequemen Sessels mit dicken Armlehnen „betriebwirtschaftlich unsinnig“ nennt. Denn mit der Vermietung von Sälen und Zimmern etwa an Hochzeits-gesellschaften lässt sich kein großes Geld verdienen. Doch gegen kühles Rendite- Denken gewann die Oberhand, was man Verantwortung vor der Familientradition nennen mag. Obwohl von Hornstein jenseits der nahen Hügelkuppe, in Binningen, ein von ihm renoviertes Schloss bewohnt, bestellten er und seine Gattin, Desirée von Hornstein, den Möbelwagen und machten aus dem kahlen Bildunghaus mit antikem Mobiliar und neuem Dekor wieder einen Adelssitz. Wer wäre dazu geeigneter gewesen als der späte Nachkomme des erzkatholischen Erbauers Balthasar Ferdinand von Hornstein? Niemand weiß besser Bescheid über das Haus, seine Legenden und früheren Bewohner als jener.

Das Engagement in Weiterdingen speist sich auch aus einem anderen Vermächtnis. Das ruht unter der Kirche des Dorfes, die einen Steinwurf weit entfernt vom Schloss steht. „In der Gruft liegen mehr als hundert Hornsteins“, sagt der Freiherr. So gleicht das historische Fundament den meterdicken Schlossmauern, hinter denen Porträts der Vorfahren und handgemalte Ahnentafeln die unterbrochene Kontinuität wieder aufnehmen.

Urahn Balthasar, in der Rüstung des Habsburger Kaisers in Wien, schaut in leicht rissigem Öl auf die im Salon versammelte Nachwelt herab. „Für deiner Eltern Nam’ tret ein!“ lautet ein Satz aus seinem Wahlspruch. Josef von Hornstein nimmt ihn auch nach mehr als 300 Jahren ernst. Familie ist dem studierten Elektrotechniker Verpflichtung und sozialer Auftrag zugleich. Die Familie, sagt er, sei der „Nukleus unserer Gesellschaft“. Sie sei erste Vermittlerin moralischer Prinzipien und jenes Wertekanons, der der heutigen Gesellschaft mit ihren Zumwinkeleien und der fatalen Konjunktur der Maßlosigkeit fast abhanden gekommen sei.

Der Freiherr weiß, von was er spricht. Menschenkenntnis ist das Fundament seines Berufs. An ihn wenden sich Aufsichtsräte oder Eigentümer von Firmen mit Milliardenumsatz, wenn sie Kandidaten für eine Spitzenposition suchen. Dieser Zweig der Hornsteins bleibt der Tradition also treu: Früher diente man dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, heute dem Wirtschaftsstandort mit Erfolg. „Man ist nur Teil einer längeren Kette“, sagt der Freiherr. Trotz vieler Auf und Abs in mehr als 800 Jahren Familiengeschichte seit Friedrich Barbarossa: Alles fügt sich irgendwann ins Glied. Jetzt ist es ein Schloss, das in den Schoß der Familie zurückgekehrt ist. Weil zusammenwächst, was zusammengehört.

VON ALEXANDER MICHEL